Hof­übergabe – ein Interview

Interview Zeitschrift “unser hof” mit Kerstin Pendelin, MSc, 07.06.2022

Die Hofübergabe ist ein komplizierter Prozess, der Konfliktpotential beinhaltet. Wo erleben Sie die Hauptprobleme, zu denen Sie gerufen werden?

Die häufigsten Themenfelder umfassen Rollen-, Werte-, oder Verteilungskonflikte, die daraus resultieren, dass der Veränderung zu wenig Zeit und Raum gegeben wurde und dass zu wenig miteinander kommuniziert wurde.

Wie groß ist Ihrer Erfahrung nach der Prozentsatz an Übergaben, die glatt laufen und wie oft kommt es zu Schwierigkeiten?

Das ist nicht so leicht zu sagen, da es Übergaben gibt, die im Vorfeld schon konfliktträchtig verlaufen und andere, die problemlos über die Bühne gehen. Bei den scheinbar reibungslosen Fällen kann es aber Jahre später zu Konflikten kommen, die ihre Wurzeln in der Übergabe haben. Dies hat auch damit zu tun, dass die Übergabe viele Veränderungen mit sich bringt und kein reiner notarieller Akt ist.

Wann ist der Punkt erreicht, an dem ich mir professionelle Hilfe holen sollte?

Am meisten profitieren alle Beteiligten, wenn frühzeitig – vielleicht schon präventiv – professionelle Beratung miteinbezogen wird. Der professionelle Blick von außen zeigt auf, um was es den Einzelnen tatsächlich geht und wo Blockaden in den Kommunikationswegen aufzulösen sind. Das kann viel Leid und Geld ersparen. Die Beteiligten denken jedoch oft, dass sie es auch allein schaffen und kommen erst auf die Idee, einen Coach einzubeziehen, wenn die Situation sich schon sehr verhärtet hat und nur schwer wieder aufzulösen ist.

Tun sich Bauern noch schwerer, sich einem Coaching zu unterziehen als andere Gesellschaftsgruppen?

Zu Beginn meiner Tätigkeit in diesem Bereich war ich ehrlich überrascht, wie offen viele Landwirtinnen und Landwirte professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Das hat sich einerseits aufgrund eines Generationswechsels verändert, andererseits ist dies auch der stetigen Öffentlichkeitsarbeit zu verdanken. Landwirtschaftliche Medien, das LFI und ähnliche Multiplikatoren greifen das Thema auf und schaffen Aufmerksamkeit. Wichtig wäre hier in Zukunft, dass ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, Beratung präventiv und somit früher in Anspruch zu nehmen

Wie darf man sich Ihre Arbeit vorstellen? Was machen Sie, wenn Sie auf einen Hof kommen?

Zuerst kläre ich den Auftrag und das Ziel, um das es in der Beratung geht. Oftmals sind die Themen so verstrickt, dass ich erst einmal alle Fakten sortieren muss: Wer hat mit wem einen Konflikt und warum? Worum geht es in diesem Konflikt wirklich? Dann ist es wichtig herauszufinden, ob die Beteiligten wirklich bereit sind, sich auf den gemeinsamen Beratungsprozess einzulassen. Das heißt auch, dass alle Beteiligten bereit dazu sind, sich ein wenig auf die andere/n Partei/en zuzubewegen. Sollte die Bereitschaft von einer Seite nicht gegeben sein, muss natürlich auch geklärt werden, wie wir damit umgehen.

Wie sollte der Prozess einer Übergabe generell geplant werden? Wie viel Zeit braucht es dafür?

Entgegen der Annahme vieler besteht die Regelung der Übergabe nicht nur aus dem kurzen Prozess der Vorbereitung und Transaktion. Die Beteiligten haben keine Erfahrung in der Gestaltung dieses komplexen und emotionalen Prozesses, der mit idealerweise 3-5 Jahren mehr Zeit in Anspruch nimmt, als viele sich vorstellen. Es werden hierbei verschiedene Phasen durchlaufen, die jede für sich gut abgeschlossen und bearbeitet sein sollte.

Mit der Übergabe werden zwei Lebensstile komplett neu definiert – einerseits die der Übergeberseite, andererseits die der Übernehmerseite. Für beide ist es der Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Hierbei können neben begeistertem Streben auch Widerstände auftreten, da es sich um einen neuen Identitätsfindungsprozess handelt. Viele Emotionen kommen hier ins Spiel, die oft kaum ausgedrückt, wahrgenommen oder berücksichtigt werden. Es geht hierbei viel um Wertschätzung, Sorgen, Ängste, Vertrauen. Der Abschied vom Lebensgefühl, Unternehmer zu sein bzw. andererseits die Herausforderung, ab sofort Unternehmer zu sein, fordern beide Seiten. Hinzu kommen weichende Erben, für die es ebenso ein Veränderungsprozess ist, in den sie achtsam miteingebunden werden müssen

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Worauf sollte besonderes Augenmerk liegen?

Wichtig ist, dass alle Beteiligten ausreichend Zeit einplanen und der Veränderung Raum zur Entwicklung geben. Ebenso wichtig ist die aufmerksame Kommunikation – bewusst miteinander sprechen und einander zuhören.

Bevor es zu einer Übergabe kommen kann, braucht es zunächst einmal einen Übernehmer, der bereit ist, den Betrieb weiterzuführen. Wie gelingt es, den Nachwuchs dazu zu motivieren, in der Landwirtschaft eine Chance zu sehen?

Es gibt leider kein Erfolgsrezept dafür, junge Leute zur Übernahme zu motivieren. Die Fülle an Möglichkeiten, die es für junge Menschen gibt, macht es immer schwieriger, eine Nachfolge zu finden. Wichtig ist allerdings, keinen Erwartungsdruck aufzubauen und das Ergebnis offen zu lassen. Auch sollten Übergeber das Gefühl vermitteln, dass jede Entscheidung akzeptiert wird, egal, was der Nachwuchs später einmal machen möchte. Interessiert sich jemand für die Übernahme ist es hilfreich, ihm oder ihr Vertrauen zu vermitteln und dahinter zu stehen – auch, wenn er oder sie die Ausrichtung oder Ausstattung der Landwirtschaft verändern möchte.

Oft hört man nach Übergaben, bei denen die Übernehmer den Hof umstellen: „Die bringen den ganzen Betrieb um!“ Was antworte ich als junger Bauer, wenn mir die Eltern keine Freiheiten lassen wollen?

 Wenn die Eltern den jungen Bauern keine Freiheiten lassen wollen, ist es höchste Zeit, sich mit externer Begleitung in Form von Supervision, Coaching oder Mediation zusammen zu setzen. So können die gegenseitigen Erwartungen, Visionen, Wünsche und Perspektiven kommuniziert werden.

Solche Konflikte zeigen, dass in der Phase des Übergabeprozesses zu wenig Zeit investiert wurde, um sich darüber gemeinsam auszutauschen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.

Neben den emotionalen Aspekten ist das Finanzielle gerade unter Geschwistern ein wichtiger Gesichtspunkt. Hört sich beim Geld die Verwandtschaft aus?

Vielen weichenden Erben geht es nicht vorrangig um das Geld, sondern um das Gefühl, eingebunden zu sein, transparente Kommunikation zu erleben und errechnete Werte gut nachvollziehen zu können. Es braucht auch Zeit und Raum, um zu besprechen, was die Übergabe für die Geschwister an weiteren Veränderungen mit sich bringt, zum Beispiel in Bezug auf das Elternhaus.

Video:  “Mediation- die andere Art Konflikte zu lösen” des Netzwerks hofkonflikt.at
Ein weiterer geradezu sprichwörtlicher Konfliktpunkt ist jener zwischen Schwiegermutter und der Frau, die auf einen Betrieb einheiratet. Sind Unstimmigkeiten da tatsächlich vorprogrammiert?

Laut der Bäuerinnen Studie 2006 haben 60% der Befragten das Zusammenleben mit den Schwiegereltern als belastend erlebt. Die Schwiegertöchter bringen neues Gedankengut, andere Werte und Rituale in den Betrieb und die Familie hinein. Das führt zu neuen Dynamiken im Zusammenleben. Auch ist es so, dass eingeheiratete Frauen nicht mehr zwangsläufig am Hof mitarbeiten, sondern durchaus ihre eigenen Jobs haben. Die Rolle der Frau hat sich hier generell sehr verändert, was natürlich Konflikte und Unstimmigkeiten mit sich bringt. Der Übernehmer sitzt dann auch oft zwischen den Stühlen, nämlich den Erwartungen der Eltern und denen der Partnerin. Ich kenne aber durchaus auch Fälle, wo es zu massiven Konflikten zwischen (Schwieger-)Vater und (Schwieger-) Sohn kommt.

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